Sitemap Kontakt Impressum

 Inhalt

 Übersicht                                 
 Titel                                            
 Ausstellungen                        
 Infothek                                    
 Brennpunkt                                
 Fünfzig Jahre BILD-Zeitung
 Interview mit Claus Jacobi
 Zeitgeschichtliches
 Forum Leipzig                         
 Das Historische Rezept        
 Editorial 2/2002                       
 Termine 2/2002                      
 Impressum 2/2002                
 Kontakt                
 Archiv                                        
 aktuelle Ausgabe                  

 Haus der Geschichte, Bonn

 Zeitgeschichtliches Forum
 Leipzig

Archiv

Brennpunkt

 

Fünfzig Jahre BILD-Zeitung

Von großen Buchstaben und Bildern

Am 2. Mai 1952 feiert der erfolgreiche Hamburger Verleger Axel Springer seinen vierzigsten Geburtstag. In seinem Verlag erscheinen die Tageszeitung "Hamburger Abendblatt", die beliebte Rundfunkzeitschrift "Hör Zu" und die anspruchsvolle Illustrierte "Kristall". Jetzt plant Axel Springer einen neuen Coup. Mitarbeiter und Freunde beobachten, wie er auf dem Boden seines Wohnzimmers hockt, umgeben von Zeitungsausschnitten, Schlagzeilen, Fotos und Zeichnungen. Mit Papier, Schere und Kleister bastelt der Verleger am Layout für eine neuartige Zeitung. Selbst den Titel erfindet er: "BILD". Am 24. Juni 1952 ist es endlich soweit: Die erste Ausgabe der BILD-Zeitung wird mit großem Werbeaufwand von weißgekleideten Zeitungsboten kostenlos verteilt. Am nächsten Tag gibt es die neue Tageszeitung am Kiosk und an zahlreichen mobilen Verkaufsständen zum Preis von zehn Pfennig.

Für zehn Pfennige gut informiert, empfielt die Verlagswerbung 1954.

Für zehn Pfennige gut informiert, empfielt die Verlagswerbung 1954.

Über dem Knick: bieder und blond

Mit der BILD-Zeitung wagt Axel Springer ein Experiment. Sein Vorbild für Stil und Inhalt ist die auflagenstarke Boulevardpresse in Großbritannien, die er während der britischen Besatzungszeit in Hamburg näher kennen lernt. BILD wird überwiegend am Kiosk verkauft. Deshalb ist die Schlagzeile auf der Titelseite "über dem Knick" wichtigster Kaufanreiz. Sie muss sofort auffallen, soll Neugier und Interesse wecken. Nach anfänglichen Schwierigkeiten steigt die Auflage bereits 1953 auf über eine Million täglich und überschreitet 1962 die Viermillionengrenze. BILD-Maskottchen ist "Lilli", ein blondes, langbeiniges Mädchen aus der Feder des Karikaturisten Reinhard Beuthin. Bald hat sie eine große Fangemeinde, für die 1955 eine Puppe kreiert und 1958 ein Spielfilm gedreht wird. "Lilli" ist Vorbild für die amerikanische Barbie-Puppe. BILD, die gedruckte Antwort auf das Fernsehen, spiegelt in den ersten Erscheinungsjahren die Atmosphäre der Wirtschaftwunderzeit wider: Information und Unterhaltung für den "kleinen Mann", der optimistisch und noch bescheiden sein persönliches Glück sucht. "Bieder" urteilen manche Medienkritiker. Doch Axel Springer verteidigt sein Konzept: "die Masse", nicht der Intellektuelle sei seine Zielgruppe.

An der Mauer: Studenten und Schüsse

Ende der fünfziger Jahre rückt die Deutschlandpolitik in den Mittelpunkt der BILD-Berichterstattung. Die Zeitung beteiligt sich an der Ansteckeraktion "Macht das Tor auf" und berichtet ausführlich über die Fluchtbewegung aus der DDR. "4 Millionen bis heute geflüchtet. Pankow verzweifelt!" lautet die BILD-Schlagzeile vom 2. August 1961. Dann der Schock und die Ernüchterung nach dem Mauerbau am 13. August: "Der Osten handelt - was tut der Westen? Der Westen tut NICHTS!" Jetzt wird die Kritik lauter: Unpolitische Meinungsmache und Aufstachelung von Emotionen lauten die Vorwürfe aus dem liberalen und linken Lager. Auch aus Ost-Berlin kommen scharfe Töne: "Hetzer, Fälscher, Meinungsmacher" benennt der Verband der Deutschen Journalisten aus Ost-Berlin 1963 seine Analyse der Springer-Presse. Die redaktionelle Kurskorrektur unter dem neuen Chefredakteur Peter Boenisch bringt BILD vorübergehend aus den Negativschlagzeilen. Das ändert sich rasch, als im Februar 1966 Studenten vor dem Berliner Amerikahaus gegen den Vietnamkrieg demonstrieren und Reformen in Hochschule, Staat und Gesellschaft anmahnen.

Große Überschriften und plakativer Stil - BILD will Einfluss auf Politik und Politiker nehmen.

Große Überschriften und plakativer Stil - BILD will Einfluss auf Politik und Politiker nehmen.

BILD hat teilweise Verständnis für die Forderungen der Studenten, lehnt aber die Methoden der Auseinandersetzung ab. "Demonstrieren ja! Randalieren nein!" lautet der Leitartikel am 3. Juni 1967, dem Tag nach dem tödlichen Schuss auf Benno Ohnesorg. Doch der Konflikt eskaliert, begleitet von starken Worten auf beiden Seiten. Er erreicht seinen Höhepunkt nach dem Attentat auf den Berliner SDS-Sprecher Rudi Dutschke, als aufgebrachte Demonstranten behaupten: "BILD schoss mit", Verlagsgebäude belagern und Lieferfahrzeuge in Brand stecken.

Zielscheibe im Zentrum der Kritik

In den siebziger Jahren geht die Anti-BILDKampage weiter. 1974 veröffentlicht der Schriftsteller Heinrich Böll seine Erzählung "Die verlorene Ehre der Katharina Blum." In der Vorbemerkung verweist der Autor ausdrücklich auf journalistische Praktiken der BILD-Zeitung, die er in seinem Werk anprangert. 1975 verfilmt der Regisseur Volker Schlöndorff Bölls Vorlage. Noch weiter geht der Kölner Journalist Günter Wallraff, der sich unter falschem Namen in die BILD-Redaktion einschleicht, wo er die Arbeitsweise des Massenblattes aus der Nähe studiert. Seine Erfahrungen erscheinen 1977 unter dem Titel "Der Aufmacher. Der Mann der bei BILD Hans Esser war". Zusammen mit dem Grafiker Klaus Staeck organisiert Wallraff 1980 eine vielbeachtete Plakataktion. Seine "Killt" persifliert den journalistischen Stil ihres VorBILDes. Die BILD-Zeitung bestätigt sogar mehrfach die Berechtigung dieser Kritik, so 1977 im "Fall Poensgen", eine junge Frau wird vorschnell "Terroristin" genannt, und im November 2000 im "Fall Joseph", der eine beispiellose Medienkampagne gegen die Bewohner der sächsischen Kleinstadt Sebnitz auslöst.

Aufpasser und Sprungbrett

Die publizistische und politische Macht von BILD erfährt auch mancher Politiker und Beamter. Im Juli 1964 verkündet Postminister Richard Stücklen die drastische Erhöhung der Fernsprechgebühren. BILD kontert: "Alles lassen wir uns nicht gefallen!", "Holt den Bundestag aus dem Urlaub!". In der eilends einberufenen Sitzung des Parlaments mitten in der Sommerpause wird die Preiserhöhung zunächst gebilligt, dann wieder teilweise zurückgenommen. Im November 2001 spürt Michael Steiner, außenpolitischer Berater von Bundeskanzler Gerhard Schröder, den Einfluss von BILD. Presseberichte über seine verbalen Entgleisungen beschleunigen seine Ablösung. BILD war und ist bis heute auch Sprungbrett für politische Karrieren. 1983 ernennt Bundeskanzler Helmut Kohl den langjährigen BILD-Chefredakteur, Peter Boenisch, zum Staatssekretär und Leiter des Bundespresse- und Informationsamts. Die neue Hamburger Kultursenatorin, Dana Horakova, war zuvor Kulturchefin bei BILD. Der Kanzlerkandidat der Union, Edmund Stoiber, überträgt die Leitung seines Wahlkampfteams dem langjährigen BILD-am-Sonntag-Journalisten Michael Spreng.

Abhängig und parteilich -Klaus Staecks Killt kritisiert 1980 journalistische Praxis und Stil der BILD-Zeitung.

Abhängig und parteilich - Klaus Staecks "Killt" kritisiert 1980 journalistische Praxis und Stil der BILD-Zeitung.

Axel Springers Einstellung zu seinem "Geburtstagsgeschenk" BILD bleibt Zeit seines Lebens ambivalent. Einem Freund gesteht er: "... wie oft leide ich, wenn ich morgens die BILD-Zeitung lese". Andererseits nutzt der Verleger den publizistischen Erfolg seines Blattes. Mit BILD am Sonntag, BILD der Frau und BILD-Woche vergrößert er die BILDFamilie. Heute erscheint die BILD-Zeitung mit einer Auflage von über vier Millionen in der Bundesrepublik sowie in den Ferienorten Mallorca und Gran Canaria. Im Rückblick auf ein halbes Jahrhundert Zeitungsgeschichte bestätigt BILD die Aussage des Literaturhistorikers Paul Fechter: "Heute aktuell, morgen Wurstpapier, in zwanzig Jahren Kulturgeschichte".

Angela Stirken

Axel Springer

Axel Cäsar Springer
1912, 2. Mai
geboren in Hamburg-Altona
1946
Gründung der "Axel Springer GmbH"
ab 1946
kontinuierlicher Ausbau zum größten Verlagshaus Europas (Hör Zu, Hamburger Abendblatt, BILD, Die Welt, Übernahme des Ullstein Verlags)
1966
Einweihung des neu gebauten Berliner Verlagshauses an der Mauer
1967/68
Studentenproteste unter der Parole "Enteignet Springer" in Berlin; nach dem Attentat auf Rudi Dutschke werden die Demonstrationen gewalttätig.
1978
Springer wird erster Träger der Leo-Baeck-Medaille wegen seiner Verdienste um die Aussöhnung zwischen Deutschen und Juden.
1985
Axel Springer stirbt in West-Berlin.

 © 2008 Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland

zum Seitenanfang