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Textilfabrik in Karachi (Pakistan) nach dem Brand.
Foto: dpa.

Handel

Lebensgefährliche Arbeit für billige Kleidung

T-Shirts für fünf Euro, eine Jeanshose für zehn Euro. Billiges gibt es in deutschen Geschäften auch deshalb zu kaufen, weil Unternehmen im Ausland produzieren. Die Zustände in den Lieferbetrieben sind oft miserabel.

Im September brannte in Pakistan eine Textilfabrik aus - mehr als 250 Menschen kamen ums Leben. Das Feuer konnte unter anderem deshalb so verheerend wüten, weil die Notausgänge des Gebäudes verstellt oder verschlossen waren. Die Sicherheitsstandards wurden nicht eingehalten. Kurze Zeit später wurde bekannt, dass die Fabrik vor allem für den deutschen Textildiscounter KiK produzierte. Der Fall sorgte für Aufsehen und zeigte einmal mehr, wie wenig sich deutsche Händler um die Zustände in ihren Lieferbetrieben scheren. KiK reagierte: Ein Nothilfefonds soll die Familien der Brandopfer mit insgesamt 500.000 US-Dollar unterstützen. Inzwischen ist die doppelte Summe im Gespräch.

Strukturveränderungen statt Nothilfe

Proteste vor einer KiK Filiale in Berlin
Foto: dpa Discounter wie Markenfirmen lassen in Billiglohnländern produzieren

Diese Hilfe ist lobenswert, erklärt Sabine Ferenschild von der Organisation "Südwind", die sich für weltweite soziale und wirtschaftliche Gerechtigkeit einsetzt. Ferenschild betont aber im Gespräch mit der Deutschen Welle auch, dass die Unterstützung bei weitem zu kurz greift. "Was fehlt, ist jede langfristige Perspektive. Das haben bisherige Katastrophen gezeigt. Es gab ja schon häufiger Brände in Fabriken, bei denen etliche Arbeiter und Arbeiterinnen umgekommen sind." Die Unternehmen hätten zwar immer unmittelbar finanzielle Unterstützung gezahlt, aber im Laufe der Jahre jede Hilfe eingestellt. "Die Betroffenen leben aber weiter, mit ihrer Arbeitsunfähigkeit zum Beispiel oder nach dem Verlust der Eltern, die nicht mehr zum Lebensunterhalt der Kinder beitragen können."

Der Druck des Marktes

Das Logo Südwind:
Institut für Ökonomie und Ökumene Der Verein "Südwind" setzt sich für eine gerechtere Weltwirtschaft ein

Die einzelnen Unternehmen müssten sich am Markt behaupten und dafür die Kosten knallhart kalkulieren, die sie in ihre Produkte investieren. Das geschehe in der Regel auf dem Rücken der Schwächsten, der Beschäftigten in den Billiglohnländern, kritisiert die Südwind-Vertreterin. "Ob Arbeitsverträge fehlen, ob die Mindestlöhne zu niedrig sind oder ob die Arbeiter zu Überstunden gezwungen werden - das sind alles strukturelle Missstände, die dem harten Wettbewerb im Bekleidungssektor geschuldet sind, die aber genauso in anderen Branchen vorkommen." Neben Südwind bemühen sich noch andere Organisationen, die Sozialstandards der Zuliefererbetriebe in den Entwicklungs- und Schwellenländern zu ändern. Bisher mit geringem Erfolg. Das liegt daran, glaubt Sabine Ferenschild, dass alle Vereinbarungen bisher freiwillig sind. Die Unternehmen können also etwas verändern, wenn sie wollen - müssen aber nicht.

Die deutschen Firmen haben nicht die Pflicht, die für sie produzierenden Betriebe im Ausland regelmäßig zu kontrollieren, geschweige denn, ihre diesbezüglichen Bemühungen offenzulegen - eine entsprechende Auflage verhindere die Bundesregierung. Aber, so Ferenschild: "Die EU-Kommission hat im vergangenen Jahr zu erkennen gegeben, dass sie bereit ist, in diesem Punkt vom reinen Freiwilligkeitsprinzip abzurücken." Das heißt, die EU will eine Transparenzpflicht einführen: Die Konzerne müssten die Öffentlichkeit informieren, unter welchen Bedingungen sie ihre Produkte herstellen. Damit hätte jeder Käufer die Wahl, ob er zugreifen oder die Ware im Regal liegen lassen will.

Deutsche Händler wollen verändern, können aber oft nicht

Arbeiterinnen in einer chinesischen Textilfabrik.
Foto:dpa Auch China gehört zu den Billiglohnländern

Der deutsche Einzelhandel bewertet das anders. Stefan Wengler, Geschäftsführer der Außenhandelsvereinigung des deutschen Einzelhandels (AVE), lobt die freiwillige Verpflichtung zur Arbeitssicherheit sehr. Im Gespräch mit der Deutschen Welle betont er, dass es seit neun Jahren die "Business Social Compliance Initiative" (BSCI) gebe, die internationale Standards bei Sicherheit und Bezahlung fordere und durchsetze. Rund 1000 Firmen haben sich bereit erklärt, an der BSCI teilzunehmen. Wengler sieht die Initiative auf dem richtigen Weg. "Zu Beginn, im ersten Jahr der Initiative, haben von 100 geprüften Unternehmen sieben bestanden. Die restlichen 93 Prozent sind durchgefallen." Bei der jüngsten Überprüfung hätte dagegen schon ein Drittel der Unternehmen die Standards erreicht. Und die Firmen mit Mängeln hätten diese rasch beseitigt; das habe eine zweite Prüfung ergeben.

"Die BSCI hat ganz strenge Maßstäbe. Das Problem ist nur, dass sie in einen Betrieb gehen und da ist alles wunderbar in Ordnung. Wenn Sie rausgehen, ist aber wieder alles beim Alten". Deshalb setzt Wengler darauf, die Firmenchefs in den Lieferländern zu sensibilisieren, indem man Manager und Arbeiter fortbildet. Denn nur wenn sie einsähen, warum Sicherheitsstandards wichtig sind, würden sie etwas ändern.

Die Verantwortung liegt in Deutschland

Logo Außenhandelsvereinigung des Deutschen Einzelhandels e.V Die Außenhandelsvereinigung des Deutschen Einzelhandels wirbt für höhere Standards

So optimistisch wie Außenhandels-Vertreter Stefan Wengler ist Südwind-Referentin Sabine Ferenschild nicht. Sie sieht zwar einzelne Verbesserungen, aber weiterhin herrschten eklatante Missstände. Die seien auf den Websites der Kampagnen für soziale Gerechtigkeit auch aufgelistet. Sie sieht vor allem die deutschen Händler in der Pflicht. "Der größte Teil der Produkte, die hierzulande verkauft werden, sind ja längst nicht mehr innerhalb Deutschlands hergestellt, sondern in Ländern, in denen Arbeitsrechte auf dem Papier gelten, aber in der Realität überhaupt nicht. Und die deutschen Unternehmen sind die Nutznießer dieser Arbeitsbedingungen."