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Symbolbild zur Korruption: Ein Mann im Anzug steckt mehrere Hundert Euro Scheine in seine Tasche. Foto: Fotolia.com
© granata68 #28961612

PARTEIEN

Abgeordnete und ihre Nebentätigkeiten

Abgeordnete des deutschen Bundestags müssen Nebeneinkünfte bisher nur grob angeben. Strafen für Korruption und Bestechung müssen sie kaum fürchten. Das soll sich mit strengeren Gesetzen jetzt ändern.

Die UN-Konvention gegen Korruption (UNCAC) hat Deutschland zwar im Jahr 2003 unterzeichnet, aber seit neun Jahren nicht in eigenen Gesetzen verankert. Die Beeinflussung von Abgeordneten über Geldzahlungen, Beraterverträge oder lukrative Nebenjobs ohne tatsächliche Gegenleistungen bleibe daher nahezu folgenlos, meint der Geschäftsführer von Transparency International in Deutschland, Christian Humborg: "Das ist eine Schande für einen demokratischen Staat wie die Bundesrepublik." Deutschland verhalte sich damit nicht anders als Staaten wie Sudan, Somalia oder Syrien. Transparency International wurde 1993 von einem ehemaligen Direktor der Weltbank  gegründet, um Korruption zu bekämpfen. In Berlin nahm die Nichtregierungsorganisation ihre Tätigkeit im Jahr 2001 auf.

Bestechung kaum nachweisbar

In Deutschland stellt seit 1994 einzig der Paragraf 108e im Strafgesetzbuch den direkten Kauf oder Verkauf der Stimme eines Mandatsträgers unter Strafe. Es drohen eine Geldbuße oder bis zu fünf Jahren Gefängnis. Dazu müssten aber Geldzahlungen an ein Parlamentsmitglied im Vorfeld einer Abstimmung nachgewiesen werden. Das ist bisher in keinem einzigen Fall auf Bundesebene gelungen. Lediglich ein Mitglied des Stadtrates in Neuruppin konnte überführt werden, ein Darlehen angenommen zu haben, um im Gegenzug ein Hotelprojekt zu befürworten. In sechs ähnlichen Fällen werde in Nordrhein-Westfalen wegen Korruption ermittelt, teilt Christian Humborg von Transparency International mit.

Die Vorsitzende der Transparency International Deutschland e.V Christian Humborg. Foto: Alina Novopashina dpa/lbn Christian Humborg, Geschäftsführer von Transparency International in Deutschland

Führende Staatsanwälte, der Bundesgerichtshof und selbst deutsche Export-Unternehmen mahnen daher, ein strenges Gesetz gegen Abgeordnetenbestechung zu schaffen, um international glaubwürdig und gerecht dazustehen. Denn alle Fälle von so genannten "Dankeschön-Prämien" an Abgeordnete oder Dritte werden bisher nicht verfolgt. Fließt also Geld nachdem ein Mandatsträger im Sinne der Geldgeber abgestimmt hat, ist demnach keine Beeinflussung anzunehmen. Auch viele Geschenke und Einladungen gelten bisher als völlig legale Zuwendungen, die den "parlamentarischen Gepflogenheiten" entsprechen würden. "Die bisherigen laschen Regelungen umfassen tausende Mandatsträger, bei denen Fehlverhalten nicht geahndet werden kann", ergänzt Christian Humborg. Der Geschäftsführer von Transparency Deutschland verweist darauf, dass heute nur noch selten Geldscheine auf den Tisch gelegt würden. Eher werde mit lukrativen Aufsichtsratsposten, Beraterverträgen oder sonstigen Jobangeboten gelockt.

Nebenjobs machen Abgeordnete angreifbar

Bestechung - Geldübergabe von Hand zu Hand. Foto: © fovito #20543019 Zahlungen sollen komplett veröffentlicht werden.

Seit Jahren schon werden deshalb die Nebentätigkeiten von Abgeordneten öffentlich kritisiert. 22,5 Millionen Euro sollen Bundestagsabgeordnete immerhin seit dem Jahr 2009 mit ihren Nebentätigkeiten verdient haben. Dazu hat die private Organisation "abgeordnetenwatch.de" die Listen des Bundestags ausgewertet und nachgerechnet. Alle Abgeordneten sind verpflichtet, ihre Nebentätigkeiten dem Bundestagspräsidenten zu melden. Von 620 Abgeordneten gehen immerhin 193 offiziell einem Nebenjob nach.

Eine Beeinflussung im Sinne einer Bestechung sei dann denkbar, wenn die Einnahmen aus den Nebentätigkeiten die Einkünfte als Abgeordneter um ein Vielfaches übersteigen, sagt Gregor Hackmack von "abgeordnetenwatch.de". In solchen Fällen könne man auch davon ausgehen, dass das Abgeordnetenmandat leide. Als bekannt wurde, dass der jüngst benannte SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück mit Vorträgen angeblich fast 500.000 Euro verdient haben soll, ging ein Aufschrei durch den Bundestag. Vor allem die Regierungsparteien CDU und FDP empörten sich.

Gregor Hackmack, Pressesprecher der Organisation abgeordnetenwatch,de mit Sitz in Hamburg. Foto: DW Gregor Hackmack, Sprecher von abgeordnetenwatch.de

"Das ist reine Heuchelei", beschreibt Gregor Hackmack die Situation und verweist dabei auf die Top-Verdiener bei den Nebentätigkeiten. "Die sind eher bei Union und FDP zu finden“. Die Wahrheit ist, dass sich alle Parteien bis heute nicht auf mehr Transparenz bei den Nebentätigkeiten einigen konnten. Seit dem Jahr 2005 gibt es erst eine Regelung, die besagt, dass Einkünfte aus Nebentätigkeiten gemeldet werden müssen. Allerdings existiert nur ein Stufensystem, bei dem in der höchsten Stufe keine genauen Summen angegeben werden müssen. Da heißt es dann nur noch "verdient mehr als 7000 Euro". "Wer das ankreuzt, kann theoretisch Millionen verdienen", kritisiert Hackmack. Neben Transparency International setzt sich auch seine Organisation "abgeordnetenwatch.de“ für einen Nachweis der Einkünfte aus Nebentätigkeiten auf den Cent genau ein. Nur so könne sich der Wähler ein Bild machen und entscheiden, inwieweit er einen Volksvertreter noch für glaubwürdig erachtet. 

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) Foto: Marc Müller / dpa Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) unterstützt klare Regeln

Ablehnung strenger Vorschriften bröckelt

Uwe Schummer ist Abgeordneter der CDU und damit Angehöriger einer Partei, die den Bundestagspräsidenten stellt und sich mehrheitlich strikt gegen schärfere Vorschriften zu Nebentätigkeiten und Abgeordnetenbestechung ausgesprochen hat. Schummer erklärt die ablehnende Haltung seiner Partei damit, dass viele seiner Kollegen eine Klagewelle befürchten. Schon eine Flasche Champagner als Geschenk könnte als Bestechungsversuch angesehen werden.

Dabei dürfen Beamte im öffentlichen Dienst nicht einmal mehr einen Kugelschreiber als Werbegeschenk annehmen, geschweige denn größere Präsente. Für Amtsinhaber existieren schon seit einigen Jahren schärfere Gesetze. Warum aber nicht für Mandatsträger? Was strengere Veröffentlichungspflichten bei Nebenjobs für Abgeordnete angeht, so macht Uwe Schummer seit Jahren seine Steuererklärung bekannt und hat damit gute Erfahrungen gemacht: "Das erstickt alle Verdächtigungen im Keim." 

Symbolbild: Ein Mann stemmt einen Paragraphen. Bild: Fotolia/drizzd # 13652935 Transparenz hängt am politischen Willen

Strengere Gesetze werden kommen

Der öffentliche Druck ist inzwischen so groß geworden, dass sich die Fraktionen im Bundestag in dieser Woche mit beiden Themen beschäftigen werden. Nebentätigkeiten dürften künftig genauer gemeldet werden müssen. Mit einer Einigung auf ein Modell rechnet Gregor Hackmack von "abgeordnetenwatch.de“ ziemlich fest. Schwieriger dürfte es beim Thema Abgeordnetenbestechung werden. Dazu hört am Mittwoch (17.10.2012) der Rechtsausschuss des Bundestags mehrere Fachleute und Juristen an. Ergebnis offen.       

Dass es auch mit strengeren Auflagen geht, zeigt die internationale Praxis. In den USA müssen Kongressabgeordnete und Senatoren alles offen legen. Alle Einkünfte, alle Schulden und selbst die Fremdzahler von Mahlzeiten. Für Ehepartner und Kinder gilt dasselbe. In Großbritannien wird alles überprüft, was ein Prozent der Einkünfte als Abgeordneter übersteigt. In Spanien dürfen Volksvertreter nicht für Firmen arbeiten, die Aufträge vom Staat erhalten. In Italien können hohe Regierungsmitglieder keine Unternehmen mehr nebenher führen. Estland verbietet kategorisch Aufsichtsratsmandate. Und Mitglieder der EU-Kommission dürfen gar keine Nebentätigkeiten ausüben. 

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