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Kundgebung von Kachin-Vertretern vor der Botschaft Myanmars in Bangkok (Foto: DW)

MYANMAR

Myanmars Minderheiten weiterhin benachteiligt

Myanmar erlebt einen beeindruckenden Wandel. Doch an den vielen nationalen Minderheiten gehen die Veränderungen bislang vorbei. Denn in deren Gebieten bestimmt weiterhin das Militär.

Viele Menschen in Myanmar spüren nichts von den Reformen, die Präsident Thein Sein seit seinem Amtsantritt im März 2011 angeschoben hat. Für manche der von ethnischen Minderheiten bewohnten Regionen ist die Lage sogar schlimmer geworden. Das wohl drastischste Beispiel ist der Kachin-Staat im hohen Norden. In der ressourcenreichen Region war im Juni 2011 eine siebzehnjährige Waffenruhe zusammengebrochen, nachdem Regierungstruppen eine Offensive gegen die Rebellen der "Kachin Independence Army" (KIA) gestartet hatten - seitdem herrscht dort Krieg.

Hkawng Seng Pan ist Sprecherin der Kachin Women’s Association in Thailand (Foto: DW)
Hkawng Seng Pan ist Sprecherin der "Kachin Women’s Association in Thailand"

Aktivisten und Menschenrechtler beklagen, die Weltgemeinschaft habe einen verengten Blick, was die Situation in Myanmar betreffe: "Für uns ist es sehr schwer, die Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft zu erhalten, denn diese sieht nur Aung San Suu Kyi und die Demokratiebewegung", so Hkawng Seng Pan, Sprecherin der "Kachin Women's Association in Thailand".

Rebellen: Politische Lösung nötig

Seit Juni 2011 reißen die Kämpfe nicht ab. Menschenrechtler werfen der Regierungsarmee Morde, Folter, Vergewaltigungen und andere Brutalitäten gegen Zivilisten vor. Bis zu 100.000 Menschen wurden vertrieben oder flohen vor der Gewalt. Bislang sind alle Gespräche über eine Waffenruhe gescheitert. In den kommenden Wochen soll es Medienberichten zufolge ein erneutes Treffen zwischen Zentralregierung und Kachin-Rebellen geben.

Premier Thein Sein mit Rebellen der Karen-Minderheit (Foto: Reuters)
Premier Thein Sein mit Rebellen der Karen-Minderheit - aber Beobachter trauen dem Frieden nicht

Nicht nur die Kachin beharren darauf, dass eine politische Lösung her müsse, um den Konflikt zu beenden und ethnischen Minderheiten gleiche Rechte in Myanmar zu garantieren. Andere ethnische Rebellengruppen, mit denen Thein Seins Regierung bereits ein Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet hat, fordern dasselbe. So auch die Karen im Osten Myanmars, die sich im Januar 2012 auf eine entsprechende Vereinbarung mit der Regierung verständigt hatten. Während des jahrzehntelangen Konflikts im Karen-Staat waren mehrere hunderttausend Bewohner zu Flüchtlingen im eigenen Land geworden oder über die Grenze nach Thailand geflohen.

"Regierung nicht flexibel genug für Kompromisse"

"Das gesamte Prozedere der Waffenstillstandsverhandlungen ist brüchig, da die Regierung die Oberhand hat", kritisiert Khin Ohmar, Koordinatorin von "Burma Partnership", einem Netzwerk von Organisationen in Asien-Pazifik, das sich für ein demokratisches Myanmar einsetzt. "Im Umgang mit den Rebellengruppen zeigt sich die Regierung nicht flexibel genug, Kompromisse einzugehen." Eine Situation, in der beide Seiten gewinnen, müsse sich durch Kompromisse auszeichnen und nicht dadurch, dass die ethnischen Rebellengruppen einfach nachgeben.

Parlamentsgebäude in Naypyidaw (Foto: DW) Im Parlament in der Hauptstadt Naypydaw sehen die Minderheiten ihre Interessen nicht unbedingt gut vertreten

Inwieweit die Regierung imstande sein wird, die Kachin-Frage zu lösen, ist Beobachtern zufolge äußerst wichtig für die Friedensverhandlungen mit den anderen ethnischen Minderheiten. Gebe es im Kachin-Staat keine Fortschritte, werde das Fragen aufwerfen, wie glaubwürdig die Regierung sei, sagt der Aktivist und Buchautor Benedict Rogers, der für Ostasien zuständige Teamleiter der Organisation "Christian Solidarity Worldwide". Zu den ersten Schritten gehöre es, die Anzahl der Soldaten zu reduzieren und die Menschenrechtsverletzungen zu beenden. Nur so könne Vertrauen aufgebaut werden.

Misstrauen gegenüber dem Parlament

Außerdem fordert die aus etwa einem Dutzend Rebellengruppierungen bestehende Allianz "United Nationalities Federal Council" (UNFC), der von Thein Sein beauftragte Chefunterhändler, Minister Aung Min, solle alle Rebellen an einen Tisch bringen und nicht individuell mit einzelnen Gruppen verhandeln. Eine politische Lösung dürfe zudem nicht zuerst im Parlament diskutiert werden. Denn dieses wird von Abgeordneten und Militärs dominiert, die der früheren Militärregierung nahestehen. Das hieße, die umstrittene Verfassung von 2008 anzuerkennen, welche die Rechte der ethnischen Minderheiten beschneidet und dem Militär eine Vormachtstellung garantiert.

Proteste von Mönchen in Myanmar (Foto: AP) Buddhistische Mönche gingen im Juni 2012 gegen die muslimische Minderheit der Rohingya auf die Straße

Auseinandersetzungen zwischen Regierungstruppen und Rebellengruppen etwa der Kachin und Karen sind nicht die einzigen Krisenherde des Landes: Im Juni 2012 brach ethnisch-religiöse Gewalt zwischen Buddhisten und muslimischen Rohingya im westlichen Rakhine-Staat an der Grenze zu Bangladesch aus. Eine sich anschließende rassistische Hetzkampagne gegen die in Myanmar nicht als Minderheit anerkannten Rohingya stand in krassem Gegensatz zum Image des "neuen Myanmar", welches Thein Sein der internationalen Gemeinschaft präsentieren will.

Will der Präsident das Land verändern?

Der vom Ausland so hochgelobte Reformprozess habe sich jedenfalls nicht in einer Gesetzesreform niedergeschlagen, durch die alle Einwohner gleich behandelt würden, kritisierte kürzlich Debbie Stothard vom alternativen Asean-Netzwerk "Altsean Burma": "Im Gegensatz zu den allzu optimistischen Bemerkungen aus dem Westen, aus Europa, aber auch aus Asien, zeigt die Lage der Rohingya-Minderheit, was wirklich im Land getan werden muss, außer Fototermine mit Thein Sein wahrzunehmen."

Viele Beobachter fragen sich, ob Thein Sein überhaupt den Willen dazu hat, das Land zu verändern. Immerhin gebe es Anzeichen dafür, dass er dabei sei, reformorientierte Kräfte zu fördern. Wie zum Beispiel durch die vor kurzem erfolgte Kabinettsumbildung, in der einige Hardliner versetzt oder degradiert worden seien, so der Aktivist und Buchautor Benedict Rogers. Wobei über allem weiterhin die Frage schwebt, ob die Reformen tatsächlich ernst gemeint und unumkehrbar sind. "Keiner weiß, wie stark die Hardliner wirklich sind", so Rogers, "und inwieweit sie in der Lage sind, diesen Prozess zu behindern oder möglicherweise gar einen Putsch zu starten."

DW.DE