Wissenschaft

 
 

 
05. Dezember 2006
 

URTEIL

Gericht korrigiert Stammzell-Patent

Das Bundespatentgericht hat den Schutz menschlicher Embryos gestärkt und ein Patent für teilweise nichtig erklärt. Aus menschlichen Embryos gewonnene Stammzelllinien dürfen demnach weder industriell noch kommerziell genutzt werden.

München - Das sogenannte Klon-Patent des Stammzellforschers Oliver Brüstle verstoße gegen das Embryonenschutzgesetz, urteilte das Bundespatentgericht - zumindest soweit es um Stammzellen geht, die aus menschlichen Embryonen gewonnen wurden. Damit folgte das Gericht zum Teil einer Klage der Umweltorganisation Greenpeace gegen das 1999 eingereichte Patent.

Stammzell-Datenbank (in London): Gericht stärkt Schutz menschlicher Embryos
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Stammzell-Datenbank (in London): Gericht stärkt Schutz menschlicher Embryos

Richterin Eva-Maria Schermer erklärte die Art der Verwendung und Gewinnung von Stammzellen aus menschlichen Embryos im Patent Brüstles für nichtig. Das Patent für die Arbeit des Bonner Forschers mit nichtmenschlichen Stammzellen bleibe aber bestehen. Schermer verwies darauf, dass die kommerzielle und industrielle Nutzung menschlicher Embryos durch das Embryonenschutzgesetz verboten sei. Brüstle will gegen das Urteil Beschwerde beim Bundesgerichtshof einlegen.

Das Patent sah allgemein die Herstellung von Nerven- Vorläuferzellen aus embryonalen Stammzellen vor und schloss ausdrücklich auch Zellen aus menschlichen Embryos ein. Brüstle hatte in der mündlichen Verhandlung betont, bei dem Verfahren gehe es um die Erschließung neuer Ansätze zur Behandlung von Krankheiten. Der Bonner Hochschullehrer gilt als einer der bekanntesten Stammzellforscher in Deutschland.

Brüstles Anwalt hatte erklärt, die Gewinnung embryonaler Stammzellen sei keineswegs automatisch mit der Vernichtung von menschlichen Embryos verbunden. Vielmehr stünden der Forschung weltweit inzwischen 450 embryonale Stammzelllinien zur Verfügung, deren Zellen beliebig vermehrt werden könnten. Greenpeace-Anwalt Robert Schnekenbühl hatte dies "eine absurde Abgrenzung" genannt. Denn natürlich seien diese Stammzelllinien aus getöteten menschlichen Embryonen gewonnen worden, auch wenn die Zellen später beliebig vermehrt werden könnten.

Brüstle und sein Anwalt kritisierten, das Gericht sei strenger als der Gesetzgeber. Dieser habe den Import von im Ausland gewonnenen menschlichen embryonalen Stammzelllinien für zulässig erklärt. Das Gericht betonte in der mündlichen Verhandlung jedoch, dass es hier einen Unterschied zwischen dem Import für Forschungszwecke und dem Import für gewerbliche Zwecke sehe.

Greenpeace wertete die teilweise Rücknahme des Patents als Erfolg. "Das Bundespatentgericht hat deutlich gemacht, dass menschliches Leben nicht kommerziell verwertet werden darf", sagte Greenpeace-Experte Christoph Then. "Ethische Grenzen müssen den finanziellen Interessen der Patentanwender übergeordnet werden."

Schipanski kritisiert Gericht

Das CDU-Bundesvorstandsmitglied Dagmar Schipanski kritisierte dagegen die Entscheidung des Gerichts. Sie sei "ein Signal an die Wissenschaft, dass in Deutschland das Gebiet der Stammzellenforschung nicht auf internationalem Niveau gearbeitet werden kann", erklärte die frühere thüringische Wissenschaftsministerin.

Schipanski betonte, Forscher müssten ethische Maßstäbe einhalten. Die engen Grenzen in Deutschland machten die Forschung jedoch sehr schwer, auch wenn es um Krankheiten wie Querschnittslähmung gehe. Die besten Wissenschaftler gingen daher ins Ausland. "Der Aspekt der Ethik des Heilens kommt meines Erachtens zu kurz", sagte Schipanski. Das Urteil solle Anlass sein, die in Deutschland gültige Regelung zur embryonalen Stammzellenforschung erneut zu überdenken.

Die Gewinnung und Erforschung menschlicher embryonaler Stammzellen ist in Deutschland grundsätzlich verboten. Das Stammzellgesetz erlaubt jedoch Ausnahmegenehmigungen für den Import und die wissenschaftliche Verwendung in besonders begründeten Fällen.

hda/AFP/ddp/dpa





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