Wirtschaft

 
 


 
05. Dezember 2006
 

AUFSCHWUNG

Lohn-Streit entzweit Wirtschaftsweise

Drei Prozent mehr Lohn - sinnvoller Beitrag zur Konjunktur oder Aufschwungskiller? Die Forderung nach mehr Gehalt stößt bei Experten auf ein geteiltes Echo, ebenso wie die Debatte über die Beteiligung der Arbeitnehmer an den Unternehmensgewinnen.

Berlin/Hamburg - Der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Norbert Walter, sprach sich gegen deutliche Lohnerhöhungen auf breiter Front aus. Es könne nur um eine marktorientierte Anpassung der Löhne nach oben gehen, sagte Walter der "Berliner Zeitung". "Leistungsträger sollten besser bezahlt werden, weil sie sonst abwandern." In Deutschland laufe es aber genau anders herum: "Diejenigen, die heute schon Gefahr laufen, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, werden bei Lohnerhöhungen meist besonders gut bedacht." Doch das gefährde nur zusätzlich ihre Beschäftigungsmöglichkeiten. "Deshalb wären allgemeine kräftige Lohnerhöhungen eine Katastrophe für den Arbeitsmarkt", sagte Walter.

Maschinenbauer: "Leistungsträger sollten besser bezahlt werden"
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Maschinenbauer: "Leistungsträger sollten besser bezahlt werden"

"Wenn die allgemeine Lohnerhöhung hoch ausfällt, dann fallen wieder einige, deren Produktivität nicht gut genug ist, durch das Raster und werden wegrationalisiert. Das darf nicht passieren", sagte er. Höhere Löhne hätten nach seiner Einschätzung keinen positiven Effekt für die Binnenkonjunktur. Als "absurd" bezeichnete Walter Vorschläge, die bevorstehende Mehrwertsteuererhöhung durch Lohnsteigerungen auszugleichen.

Auch der Wirtschaftsweise Wolfgang Franz warnt vor kräftigen Lohnzuwächsen. "Bei vier Millionen Arbeitlosen ist nicht die Zeit für dicke Lohnabschlüsse", sagte Franz der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post". Er betonte: "Natürlich sollen auch Arbeitnehmer etwas vom wachsenden Sozialprodukt bekommen." Doch das mache man besser über Gewinnbeteiligungen.

Das Argument der Kaufkraftstärkung lässt Franz nicht gelten. Das Gegenteil sei richtig. "Wer die Kaufkraft und damit den Aufschwung stabilisieren will, muss über eine moderate Lohnpolitik die Zahl der Arbeitsplätze und damit die gesamtwirtschaftliche Lohnsumme erhöhen", sagte er. Franz warnte davor, durch Lohnerhöhungen die anstehende Mehrwertsteuererhöhung auszugleichen. Das dürfe auf keinen Fall passieren. Das Geld aus der Erhöhung der Mehrwertsteuer behielten die Unternehmen ja nicht für sich, sie gäben es an den Staat weiter. Also könnten sie es auch nicht an die Arbeitnehmer verteilen. Wer das fordere, gefährde viele Arbeitsplätze.

Dagegen forderten der Wirtschaftsweise Professor Peter Bofinger und der Wissenschaftliche Direktor der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, Gustav Horn, deutliche Lohnzuwächse, um die Binnenkonjunktur anzukurbeln und den Aufschwung zu stabilisieren. Bofinger bezeichnete in der "Bild"-Zeitung Lohnerhöhungen von mindestens 2,5 bis drei Prozent notwendig, "damit der Konsum in Gang kommt und der Aufschwung weiter stark bleibt." Ähnlich äußerte sich Horn im selben Blatt: "Es kann nicht sein, dass die Konzerne verdienen wie nie, aber die Mitarbeiter davon nicht profitieren. Wir brauchen jetzt stärkere Lohnerhöhungen, um den Aufschwung fortzusetzen."

Die derzeit diskutierten Investivlöhne nannte Walter eine "charmante Idee", die aber für Arbeitnehmer den Nachteil mit sich bringe, dass ihre finanzielle Situation noch stärker von der Lage ihrer Firma abhängig werde. Walter plädierte deshalb für eine andere Lösung: "Arbeitnehmer sollten die Möglichkeit bekommen, einen größeren Teil ihres Einkommens steuerbegünstigt in Kapitalvermögen zu investieren - und zwar vernünftigerweise auf eine Vielzahl von Unternehmen verteilt."

mik/dpa/ddp/AP





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