Reise

 
 


 
04. Dezember 2006
 

ALLTAG IN MASSACHUSETTS

Eis essen und Energie sparen

New York, Grand Canyon, Kalifornien - diese Höhepunkte bestimmen häufig das touristische Bild der USA. Dabei kann der ganz normale amerikanische Alltag viel spannender sein. Henryk M. Broder war auf Spurensuche in Lexington, Massachusetts.

Helen Epstein und Patrick Mehr sind typische Amerikaner. Sie wurde 1947 in Prag geboren und kam mit ihren Eltern, zwei Holocaust-Überlebenden, ein Jahr später in die USA. Auch in New York wurde bei den Epsteins zu Hause weiter Tschechisch gesprochen. Er wurde 1954 in Paris geboren, als Sohn rumänischer Juden, die nach Frankreich emigriert waren. Patrick besuchte die Eliteschule Ecole Polytechnique und würde heute noch im Industrieministerium arbeiten, wenn er 1981 nicht Helen bei einem Single-Treffen in Davos kennengelernt hätte.

Lexington: Ganz normale Amerikaner

  • Henryk M. Broder
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Ein Jahr darauf brach er seine Zelte in Paris ab und zog nach Boston. Heute leben Helen und Patrick in Lexington im Bundesstaat Massachusetts, der "Wiege der amerikanischen Revolution", wo alles am 18. April 1775 begann, als Paul Revere aus Boston angeritten kam, um Sam Adams, John Hancock und die übrigen Kolonisten vor den anrückenden britischen Truppen zu warnen. "Paul Revere's Ride" von Henry Longfellow ist das Hohelied der Revolution, das amerikanische Kinder schon aufsagen können, noch bevor sie Lesen und Schreiben gelernt haben.

Wenn es so etwas wie einen spirituellen Kern der USA gibt, dann ist es das kleine Lexington bei Boston mit seinen knapp 33.000 Einwohnern, wo jedes Jahr am dritten Montag im April der "Patriot's Day" gefeiert und das Gefecht von "Battle Green" als Spektakel reanimiert wird. Noch in den fünfziger Jahren war Lexington eine typische WASP-Town, bewohnt von weißen angelsächsischen Protestanten und einigen jüdischen Familien. Heute kommt ein Viertel der Einwohner aus Asien: Es sind Japaner, Chinesen, Inder und Pakistaner.

Viel mehr als nur eine Eisdiele

Aber Helen und Patrick sind nicht wegen der Geschichte nach Lexington gezogen, sondern weil die Stadt für ihre guten "Public Schools" bekannt ist. Inzwischen haben ihre beiden Söhne, Sam und Daniel, die High School beendet und kommen nur noch in den Semesterferien nach Hause. Also haben Helen und Patrick viel Zeit für andere Aktivitäten. Helen, die schon Ende der siebziger Jahre mit ihrem ersten Buch ("The Children of the Holocaust") bekannt wurde, schreibt jetzt Kurzgeschichten für amazon.com. Ihr erster Text heißt "Ice Cream Man" ("Eisverkäufer") und steht seit vier Wochen online.

Es ist die Geschichte von Gus Rancatore, der vor genau 25 Jahren eine Eisdiele in Cambridge aufgemacht hat: "Toscanini's". Gus, Jahrgang 1950, ist ebenso ein typischer Amerikaner wie Helen und Patrick, vielleicht einen Tick mehr: Seine Großeltern kamen Ende des 19. Jahrhunderts nach Amerika, er wurde in Staten Island/New York geboren und wuchs in New Jersey auf, wo er eine katholische Klosterschule besuchte. Heute ist "Toscanini's" mehr als eine Eisdiele, es ist eine Institution, weil Gus eine "kulturelle Agenda" hat.

Bot er anfangs ein Dutzend klassische Eissorten an, sind es heute mehr als 400, darunter viele "Exoten", die man sonst nur in Asien bekommt, wie das "Fünf-Gewürze-Eis". Denn "Toscanini's" liegt auf halbem Wege zwischen Harvard und dem Massachusetts Institute of Technology (MIT), und viele Studenten der beiden Elite-Hochschulen kommen aus Asien.

Gus selbst hat auch einen multikulturellen Migrationshintergrund. Die Mutter ist irisch, der Vater italienisch. Wären nicht beide zufällig katholisch gewesen, hätten sie nur wenig gemeinsam gehabt. In der Familie gab es täglich einen regelrechten Kulturkampf, über das Essen auf dem Tisch, die Musik im Radio und die Frage, wie man die Kinder erzieht.

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